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IP Ingredients, Teil 17: Wie man Lebensmittel als Medizin patentiert
Juli 2024
Aufgrund der zunehmenden Anerkennung der Rolle von Lebensmitteln und Ernährung für die Gesundheit umfasst die aktuelle „Lebensmittel als Medizin“-Bewegung eine Reihe von lebensmittelbasierten Interventionen für die Prävention, das Management und die Behandlung von Krankheiten, von nährstoffreichen Lebensmittelzusammensetzungen bis hin zu personalisierten Ernährungsprogrammen wie ZOE.
Ein britisches Unternehmen, das vom Wachstum in diesem Bereich profitieren möchte, ist SmarterNaturally (eine Ausgründung des Quadram Institute and Plant Bioscience Limited, früher bekannt als The Smarter Food Company), das 2018 mit dem Ziel gegründet wurde, Lebensmittel mit gesundheitlichem Nutzen zu entwickeln. Das erste Produkt des Unternehmens ist eine „Supersuppe“, die aus einer neuen Brokkoli-Sorte hergestellt wird, die einen hohen Gehalt an der Verbindung Glucoraphanin enthält, die den Blutzuckerspiegel senken soll und daher für Menschen mit einem Risiko für Typ-2-Diabetes von Vorteil sein kann. Mit 500.000 verkauften Exemplaren im ersten vollen Geschäftsjahr scheint die Suppe von SmarterNaturally den Nerv der Verbraucher getroffen zu haben, denn sie bietet greifbare gesundheitliche Vorteile in einer Form, die als schmackhafter und „natürlicher“ als herkömmliche Arzneimittel empfunden wird.
Da die therapeutische Verwendung von Lebensmitteln immer beliebter wird, ist es für Unternehmen, die Produkte in diesem Bereich auf den Markt bringen, wichtig, ihre Innovationen durch einen angemessenen Schutz des geistigen Eigentums abzusichern. Je nach Art des Produkts, dem Stand der Technik und der Gerichtsbarkeit, in der der Schutz angestrebt wird, kann eine Vielzahl unterschiedlicher Patentansprüche geltend gemacht werden.
Wie wir in Teil 1 dieser Reihe erörtert haben, kann Patentschutz für eine Lebensmittel- oder Getränkezusammensetzung erlangt werden, die gegenüber bekannten Zusammensetzungen neu und erfinderisch (d. h. nicht offensichtlich) ist. Neuartigkeit kann durch eine neue Kombination von Zutaten oder durch eine bekannte Kombination von Zutaten in einem neuen Verhältnis entstehen. Die Hürde der erfinderischen Tätigkeit kann erfüllt sein, wenn die neuartige Kombination oder das neuartige Verhältnis einen unerwarteten Nutzen, z. B. eine therapeutische Wirkung, mit sich bringt. So beansprucht beispielsweise das erteilte europäische Patent EP3595632B1 eine Zusammensetzung, die Kurkuma, andere Pflanzenextrakte und Omega-3- oder Omega-6-Fettsäuren enthält und als Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Nutrazeutikum formuliert werden kann. Die Zusammensetzung soll für die Behandlung von Symptomen im Zusammenhang mit Endometriose nützlich sein, obwohl der Umfang des Patentschutzes nicht auf diese Verwendung beschränkt ist.
In einigen Ländern, vor allem in den USA, können Patentansprüche für medizinische Behandlungsmethoden erworben werden. Im vergangenen Jahr erhielt Nestlé ein US-Patent (US11541031B2) für ein Verfahren zur Behandlung oder Vorbeugung eosinophiler Magen-Darm-Erkrankungen durch Verabreichung einer Zusammensetzung, die ein Kakaopolyphenol und einen fermentierbaren Ballaststoff enthält. Dem Patent zufolge ist die Kombination aus Kakaoextrakt und löslichen Ballaststoffen besonders wirksam bei der Verringerung der Zahl der Mastzellen, die als Reaktion auf ein Allergen gebildet werden.
In Europa sind medizinische Behandlungsmethoden vom Patentschutz ausgenommen, so dass Mediziner frei agieren können, ohne sich Gedanken über die Einschränkungen machen zu müssen, die ihnen durch Patente für chirurgische oder therapeutische Methoden auferlegt werden. Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) erlaubt stattdessen den Schutz bekannter Stoffe oder Zusammensetzungen zur Verwendung als Arzneimittel, sofern ihre medizinische Verwendung nicht zuvor im Stand der Technik offenbart oder vorgeschlagen worden ist. So wurde beispielsweise das oben erwähnte US-Patent von Nestlé auch in Europa als EP3383379B1 erteilt. Da die Behandlungsmethode in Europa nicht beansprucht werden kann, beansprucht das europäische Patent stattdessen die Zusammensetzung „zur Verwendung bei“ der Vorbeugung oder Behandlung einer eosinophilen gastrointestinalen Störung und anderer Erkrankungen. Bei dieser Art von Anspruchsform, die als „zweiter medizinischer Verwendungsanspruch“ bezeichnet wird, handelt es sich um einen zweckgebundenen Produktanspruch, mit dem das Mittel und nicht eine Methode zu seiner Verwendung geschützt wird.
Ein zweiter medizinischer Verwendungsanspruch wurde verwendet, um die von SmarterNaturally in Europa vermarktete Suppe zu schützen. Das europäische Patent EP3313425B1, das auf den Namen Plant Bioscience Limited lautet, beansprucht eine Glucophanin enthaltende Zusammensetzung zur Verwendung bei der Senkung des Nüchtern-Serum-Glukosespiegels bei Prädiabetikern und/oder zur Verhinderung von Diabetes mellitus.
Es zeigt sich also, dass Angaben zur medizinischen Verwendung nach europäischem Vorbild nicht nur für Arzneimittel, sondern auch für Lebensmittel- und Getränkezusammensetzungen mit therapeutischer Wirkung gelten. Dies ist eindeutig von Vorteil, da Unternehmen, die eine neue medizinische Verwendung einer Lebensmittelzusammensetzung entdeckt haben, in den Genuss des Patentschutzes kommen können, selbst wenn die Lebensmittelzusammensetzung selbst bereits vorher bekannt war.
Damit Lebensmittelzusammensetzungen in Europa als „Zusammensetzung zur Verwendung“ beansprucht werden können, muss die angegebene Verwendung jedoch therapeutisch sein, d. h. sie muss sich auf die heilende oder prophylaktische Behandlung eines pathologischen Zustands beziehen.
Dies wurde durch eine kürzlich ergangene Entscheidung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts bestätigt, mit der das europäische Patent Nr. EP3361885 im Namen von N.V. Nutricia, gegen die Nestlé Einspruch erhoben hatte (Entscheidung T 0851/22). Der fragliche Patentanspruch war auf eine Säuglingsnahrung gerichtet, die Lipidkügelchen mit spezifischen Eigenschaften enthielt, wobei die Nahrung weiter definiert war als „zur Verwendung bei der Förderung eines postnatalen Wachstumsverlaufs oder einer Körperentwicklung bei einem Säugling hin zu einem Wachstumsverlauf oder einer Körperentwicklung, die dem Wachstumsverlauf oder der Körperentwicklung ähnlich ist, der/die bei mit menschlicher Milch ernährten Säuglingen beobachtet wird„.
In Übereinstimmung mit früheren Entscheidungen stellte die Kammer fest, dass die Fütterung eines Säuglings mit Säuglingsnahrung zur Ernährung und zur Förderung eines normalen Wachstums nicht therapeutisch ist. Sie stellte ferner fest, dass Säuglingsanfangsnahrung in einem nicht-medizinischen, kommerziellen Umfeld vermarktet wird und ihre Verwendung in der Verantwortung der Betreuungspersonen liegt und nicht als medizinischer Eingriff angesehen wird, der von medizinischen Fachkräften vorgenommen wird. Dementsprechend ist die Verwendung von Säuglingsnahrung nicht als medizinische Verwendung im Sinne des EPÜ anzusehen.
Da die im Patentanspruch angegebene Verwendung den Umfang des Anspruchs nicht einschränkt und Säuglingsanfangsnahrung, die Lipidkügelchen mit den beanspruchten spezifischen Eigenschaften enthält, aus dem Stand der Technik bekannt ist, wurde der Anspruch als nicht neu erachtet. Das Patent wurde daher widerrufen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die europäischen Ansprüche auf eine zweite medizinische Verwendung den Herstellern eine nützliche Möglichkeit bieten, Lebensmittel- und Getränkezusammensetzungen zu schützen, die einen therapeutischen Nutzen bieten, selbst wenn die Zusammensetzung selbst die Schwelle der Neuheit und/oder der erfinderischen Tätigkeit nicht überschreiten würde. Zusammensetzungen, die für die normale, nicht therapeutische Ernährung verwendet werden, können sich jedoch nicht auf dieses Anspruchsformat berufen und müssen für sich genommen neu und erfinderisch sein, um patentierbar zu sein. Wenn also Zweifel bestehen, ob die Verwendung eines Lebensmittels oder Getränks als medizinische Verwendung in Frage kommt, ist es ratsam, auch für die Zusammensetzung an sich und möglicherweise für ihr Herstellungsverfahren Schutz zu beantragen, wobei so viele Einzelheiten der Zusammensetzung/des Verfahrens wie möglich in die Anmeldung aufzunehmen sind, die dazu beitragen können, Neuheit und erfinderische Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik zu begründen.
Bei Fragen zu den oben genannten Punkten wenden Sie sich bitte an die Autorin Jennifer Bailey [email protected].