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Die Beschwerdekammer des EPA äußert sich zum Umfang des Ausschlusses der Sittenwidrigkeit von der Patentierbarkeit
Januar 2025
Die jüngste Entscheidung T1553/22 der Beschwerdekammer verpflichtete die Kammer, den Umfang der Ausschlüsse von der Patentierbarkeit gemäß Artikel 53(a) EPÜ zu prüfen.
Die Erfindung in diesem Fall bezog sich auf Verfahren zur Herstellung einer Mensch-Schwein-Chimäre, die in der Lage ist, menschliche Blutzellen und -gefäße zu produzieren, sowie auf das chimäre Tier selbst. Das beanspruchte Verfahren umfasst die Erzeugung einer Schweineblastozyste, der das für die Entwicklung des Blutsystems erforderliche Gen ETV2 fehlt, und die Injektion menschlicher pluripotenter Zellen, die das ETV2-Gen enthalten, in die Schweineblastozyste. Die daraus resultierende Mensch-Schwein-Chimäre ist in der Lage, humanisiertes Gefäßsystem und Blut zu produzieren.
Mensch-Tier-Chimären werden zwar nicht in Regel 28 EPÜ erwähnt, aber in Erwägungsgrund 38 der EU-Biotechnologie-Richtlinie, die Verfahren, die gegen die Menschenwürde verstoßen, von der Patentierbarkeit ausschließt und „Verfahren zur Herstellung von Chimären aus Keimzellen oder totipotenten Zellen von Menschen und Tieren“ auflistet. In der Erwägung werden jedoch Chimären, die unter Verwendung pluripotenter Zellen hergestellt werden (die im Gegensatz zu totipotenten Zellen, die sich in alle Zelltypen teilen können, um einen vollständigen Organismus zu erzeugen, nicht in der Lage sind, einen vollständigen Organismus zu erzeugen), nicht ausdrücklich erwähnt.
Der Antragsteller argumentierte daher in der Berufung, dass die beanspruchte Erfindung auf Blastozysten mit menschlichen pluripotenten Zellen gerichtet sei und der Ausschluss gemäß Erwägungsgrund 38 daher nicht gelte. Darüber hinaus sind Ausnahmen von der Patentierbarkeit, beispielsweise gemäß Artikel 53(a), eng auszulegen.
Die Beschwerdekammer bestätigte bei der Analyse des für den Fall geltenden Rechtsrahmens, dass die Bestimmungen des EPÜ zum Schutz biotechnologischer Erfindungen im Lichte der EU-Biotechnologie-Richtlinie zu verstehen sind. Die in Regel 28 (1) EPÜ enthaltene Liste von Ausnahmen, nämlich die Verwendung von menschlichen Embryonen zu kommerziellen Zwecken, die Veränderung der Keimbahn des Menschen, Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen und die Veränderung der genetischen Identität von Tieren, sowie die in Erwägungsgrund 38 der Biotech-Richtlinie enthaltene Liste von Ausnahmen, die nicht erschöpfend ist, dienen lediglich der Orientierung.
Darüber hinaus bestätigte der Ausschuss in Übereinstimmung mit den jüngsten Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer (siehe G2/12), dass der Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmen von der Patentierbarkeit nicht generell a priori angewendet werden kann und dass der „Gegenstand und Zweck“ solcher Ausnahmen berücksichtigt werden muss. Die Kammer stimmte zwar zu, dass Erwägungsgrund 38 nicht direkt auf die beanspruchte Erfindung anwendbar ist, kam jedoch bei der Prüfung der Erwägungsgrund 38 zugrunde liegenden Begründung zu dem Schluss, dass der Ausschluss von Chimären, die unter Verwendung menschlicher totipotenter oder Keimzellen hergestellt wurden, auf Bedenken beruht, dass sich solche Zellen in die Keimbahn oder das Gehirn des chimären Tieres integrieren und ein Tier mit menschlichen oder menschenähnlichen Fähigkeiten erzeugen könnten, was gegen die Menschenwürde verstoßen würde.
Nach einer Überprüfung der zum Zeitpunkt der Einreichung verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse kam der Ausschuss unter Abwägung der Wahrscheinlichkeiten zu dem Schluss, dass die Verwendung pluripotenter menschlicher Zellen zur Erzeugung eines chimären Tieres gemäß der Erfindung tatsächlich die Möglichkeit berge, ein Tier mit menschlichen oder menschenähnlichen Fähigkeiten zu erzeugen. Trotz der offensichtlichen medizinischen Vorteile der Erfindung stellte die Kammer ferner klar, dass Abwägungen zwischen Tierleid und medizinischem Nutzen nur für Erfindungen im Zusammenhang mit der genetischen Veränderung von Tieren gemäß Regel 28(1)(d) EPÜ relevant sind und dass es keinen Spielraum für Erfindungen geben kann, die ausgeschlossen sind, weil sie das Leben oder die Menschenwürde verletzen.
Diese Entscheidung bestätigt, dass die Ausnahmen von der Patentierbarkeit aus Gründen der guten Sitten gemäß Artikel 53(a) über die in Regel 28(1) EPÜ und Erwägungsgrund 38 der EU-Biotechnologie-Richtlinie aufgeführten spezifischen Beispiele hinausgehen können und dass das EPA den Zweck hinter den Ausschlüssen berücksichtigen wird, anstatt die Ausschlüsse als Regel eng auszulegen. Um Patentanmeldungen zu verfassen und alle erforderlichen Ausführungsformen oder die technische Sprache aufzunehmen, die zeigen, dass die Erfindung erreicht werden kann, ohne unter den Ausschluss der Patentierbarkeit zu fallen, ist es erforderlich, den Gegenstand und den Zweck der Ausschlüsse zu verstehen.
Dieser Artikel wurde von der Trainee Patent Attorney Delphine Lauté-Caly und der Partnerin Punita Shah verfasst.