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T 1847/22: Verfahrensrechtliche Erwägungen im Beschwerdeverfahren: Neuordnung von Anträgen und die Auswirkungen auf die Zulässigkeit

Februar 2025

Dieser Fall betraf EP 3 085 344 B1, das sich auf ein Wundkissen bezieht, ein selbstklebendes Element, das ein Wundkissen umfasst.

Gegen das Patent wurden von zwei Einsprechenden Einwände erhoben. Während des Einspruchsverfahrens wurde das Patent in geänderter Form aufrechterhalten. Der Patentinhaber und die Einsprechenden legten gegen die Entscheidung Beschwerde ein, und das Patent wurde schließlich von der Beschwerdekammer widerrufen. Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt auf der Neuordnung der Anträge des Patentinhabers und ihrer Zulässigkeit in der Beschwerde.

Reihenfolge und Bewertung der Anträge des Patentinhabers

Das Patent wurde von der Einspruchsabteilung gemäß den vom Patentinhaber als Hilfsantrag 4 eingereichten Ansprüchen aufrechterhalten. Dieser Antrag wurde zuvor als Hilfsantrag 13 nummeriert und dann während der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 4 neu eingestuft.

In ihrer Berufungsbegründung sprach sich die Patentinhaberin für den Hauptantrag in der im Einspruchsverfahren eingereichten Fassung aus und bezog die Hilfsanträge 1 bis 15 als Ausweichpositionen mit ein. Während der Gegenstand der Hilfsanträge mit den im Einspruchsverfahren eingereichten Anträgen übereinstimmte, wurde die Reihenfolge der Anträge geändert. Insbesondere wurde der frühere Hilfsantrag 4 (d. h. der von der Einspruchsabteilung für zulässig erachtete Antrag) in der Berufung als Hilfsantrag 12 neu eingestuft. Die Reihenfolge der übrigen Hilfsanträge wurde ebenfalls geändert, sodass sich die Reihenfolge der Anträge im Vergleich zu den vor der Einspruchsabteilung eingereichten Anträgen erheblich unterschied.

Bei der Bewertung der Anträge während der Beschwerde stellte der Ausschuss fest, dass der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1, 2, 4, 13, 14 und 15 alle gegen Artikel 123(2) EPÜ verstießen. Bei den Hilfsanträgen 3 und 12 wurde festgestellt, dass sie gegenüber D2 nicht neu sind. Das Ergebnis des Falls hing außerdem von der Zulässigkeit der Hilfsanträge 5 bis 11 ab, da diese Anspruchssätze zusätzliche Beschränkungen enthielten, die angeblich ein Mittel zur Unterscheidung gegenüber dem angeführten Stand der Technik darstellen.

Zulässigkeit der Hilfsanträge 5 bis 11 – Argumente des Patentinhabers

Der Patentinhaber argumentierte, dass er die Anträge während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung neu geordnet habe, weil er von der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung überrascht war, dass Anspruch 1 der Hauptanträge in Bezug auf D1 nicht neu sei. Die Neuordnung/Neunummerierung der Hilfsanträge sei kein willkürliches Verfahrensmanöver gewesen, sondern eine Reaktion auf die neuen Umstände, die sich während der mündlichen Verhandlung ergeben hätten, und die Neuordnung sei ein Versuch gewesen, die Verfahrenseffizienz aufrechtzuerhalten. Die erneute Neuordnung dieser Anträge im Beschwerdeverfahren sollte daher zulässig sein.

Zulässigkeit der Hilfsanträge 5 bis 11 – Argumente des Einsprechenden

Der Einsprechende argumentierte, dass die Handlung des Patentinhabers die Einspruchsabteilung daran gehindert habe, eine Entscheidung über die Hilfsanträge 5 bis 11 zu treffen, die der Patentinhaber nun vor dem von der Einspruchsabteilung bestätigten Antrag prüfen lassen wolle. Unter anderem sei dies verfahrenstechnisch nicht effizient, und diese Anträge sollten nicht zugelassen werden.

Die Entscheidung der Kammer über die Zulässigkeit der Hilfsanträge 5 bis 11

Die Hilfsanträge 5 bis 11 wurden zusammen mit der Beschwerdebegründung während des Einspruchsverfahrens vor Ablauf der in Regel 116 EPÜ festgelegten Frist eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich jedoch um die Hilfsanträge 6 bis 12, die somit über dem Hilfsantrag 13 rangierten, der später von der Einspruchsabteilung für zulässig befunden wurde, wenn auch vom Patentinhaber neu geordnet und als Hilfsantrag 4 nummeriert. Diese Anträge wurden während der mündlichen Verhandlung als Hilfsanträge 7 bis 13 neu geordnet und damit auf einen niedrigeren Rang als Hilfsantrag 4, der von der Einspruchsabteilung für zulässig befunden wurde, gesetzt, nur um mit der Einreichung der Beschwerdebegründung des Inhabers erneut zu Hilfsanträgen 5 bis 11 mit einem höheren Rang als der von der Einspruchsabteilung für zulässig befundene Antrag geordnet zu werden.

In Bezug auf die Begründung des Inhabers für die Neuordnung bemerkte der Vorstand, dass die Meinungsänderung der Einspruchsabteilung in Bezug auf die Neuheit eines bestimmten Dokuments nicht überraschend hätte kommen dürfen, da es sich bei der Anlage zur Ladung der Einspruchsabteilung nur um eine vorläufige Stellungnahme handelt. Darüber hinaus ist es zwar richtig, dass eine Neuordnung der Anträge die Dauer der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung oft verkürzen kann, aber der Patentinhaber sollte bedenken, dass die Reihenfolge der Antragsanträge vom Patentinhaber selbst festgelegt wird und die Reihenfolge der Präferenz widerspiegeln sollte, in der die Anträge geprüft werden sollen, sowie den Text, in dem der Patentinhaber ein Patent aufrechterhalten möchte. Die Neuordnung der Anträge, auch wenn sie den Gegenstand der zugrunde liegenden Ansprüche nicht ändert, ist nicht nur eine formalistische Änderung des Falls des Patentinhabers ohne verfahrensrechtliche Konsequenzen, da sie signalisiert, wie der Patentinhaber sich entschieden hat, mit seinem Fall und damit mit den Anträgen fortzufahren, und in welcher Reihenfolge die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung treffen muss.

Der Ausschuss stellte daher fest, dass die Handlungen des Inhabers die Einspruchsabteilung daran hinderten, eine Entscheidung über die Hilfsanträge 5 bis 11 zu treffen, sodass es keine Entscheidung der Einspruchsabteilung gibt, die der Ausschuss überprüfen kann. Folglich wurden diese Anträge „verfahrensrechtlich inaktiv“, so als hätte der Patentinhaber diese Anträge zurückgezogen; eine solche Zurückziehung hätte gemäß Artikel 12(6) der Verfahrensordnung zur Nichtzulassung geführt [1]. Es gibt keinen Grund, Anträge, die nicht förmlich zurückgezogen, sondern herabgestuft werden, so zu behandeln, dass die Einspruchsabteilung daran gehindert wird, eine andere Entscheidung zu treffen, weil der Zweck darin besteht, sicherzustellen, dass das Hauptziel von Beschwerdeverfahren zur Überprüfung von Entscheidungen der ersten Instanz gemäß Artikel 12(2) VOBK in gleicher Weise beeinträchtigt wird. Die Kammer konnte keinen Grund für die Neuordnung der Anträge mit den Beschwerdegründen des Patentinhabers erkennen, der es rechtfertigen würde, dass die Kammer die Anträge in einer neuen Reihenfolge und damit erstmals in der Beschwerde prüft.

Dementsprechend wurden die Hilfsanträge 5 bis 11 nicht in das Beschwerdeverfahren aufgenommen und das Patent wurde widerrufen.

Schlussfolgerungen

Dieser Fall verdeutlicht die Bedeutung der Reihenfolge aller im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren vorgelegten Anträge. Auch wenn Anträge fristgerecht bei der Einspruchsabteilung eingereicht werden können, kann die Neuordnung der Anträge ihre Zulässigkeit für ein etwaiges Beschwerdeverfahren beeinflussen.

Die Entscheidung zeigt auch, wie Verfahrensvorschriften genutzt werden können, um die Anzahl der zu prüfenden Anträge zu reduzieren und die Diskussion vor den Beschwerdekammern zu vereinfachen.

[1] Der Ausschuss verwies auch auf: T 1404/20, Gründe 1.4; T 1853/22, Gründe 3.2; T 1809/22, Gründe 4.3


Dieser Artikel wurde von dem Partner & Patent Attorney Adam Hines verfasst.

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