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T1977/22: Können Ansprüche, die durch offene Bereiche definiert sind, jemals ausreichend offengelegt werden?
März 2025
Die Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA in T1977/22 bietet eine interessante Übersicht über die Rechtsprechung zur Vereinbarkeit der „Whole Range Sufficiency“ und der daraus resultierenden Ansprüche, die durch die Verwendung einer offenen Reihe erreicht werden sollen. Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass offene Bereiche, die nicht funktionierende Ausführungsformen umfassen können, als ausreichend und über den gesamten Umfang des Anspruchs reproduzierbar angesehen werden sollten, wenn aus der Beschreibung (zumindest implizit) abgeleitet werden kann, dass der Fachmann bei der Umsetzung der Erfindung innerhalb der beanspruchten Struktur- und/oder Verfahrensmerkmale in der Lage wäre, eine Reihe unterschiedlicher Werte über den offenen Bereich hinweg ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen.
Nach der Erteilung kann ein Patent unter anderem mit der Begründung angefochten werden, dass die Erfindung nicht ausreichend detailliert offenbart ist, um einem Fachmann ihre Ausführung zu ermöglichen. Die Messlatte, die das EPA bei der Beurteilung der Mindestanforderungen an eine ausreichende Offenbarung anlegt, scheint oft relativ niedrig zu sein, sodass es schwierig sein kann, Angriffe auf der Grundlage der Hinlänglichkeit zu gewinnen. In erster Instanz stellte die Einspruchsabteilung (OD) jedoch fest, dass der erteilte Anspruch 1 von EP 3086872, der ein anorganisches Mischoxidmaterial definierte, das nach dem Kalzinieren bei unterschiedlichen Temperaturen für unterschiedliche Zeitdauern eine minimale spezifische BET-Oberfläche aufweist, unzureichend offenbart war, da keine Obergrenze angegeben war, was dazu führte, dass Anspruch 1 Materialien mit Oberflächen umfasste, die deutlich über der definierten Untergrenze lagen. Laut der Prüfungsabteilung bedeuteten die offenen Bereiche, dass Anspruch 1 Materialien mit höheren Oberflächen abdeckte, die erst nach dem Anmeldetag des Patents zugänglich wurden. Die Beschwerdekammer war anderer Meinung.
Divergierende Rechtsprechung?
Sowohl im Einspruchs- als auch im Beschwerdeverfahren führten Patentinhaber und Einsprechender eine Reihe von Entscheidungen an, die ihre jeweiligen Standpunkte stützten. Der Patentinhaber (Beschwerdeführer) argumentierte (unter Berufung auf T398/19), dass offene Ansprüche keinen Einwand der Unzulänglichkeit begründen, da der betreffende Anspruch implizit auf die tatsächlich erzielbaren Oberflächenbereiche beschränkt sei. Der Einsprechende (Beschwerdegegner) argumentierte wiederum (unter Berufung auf T1697/12 und T113/19), dass der Anspruch Oberflächenbereiche abdecke, die viel größer seien als die praktisch verfügbaren, und folglich nicht funktionierende Ausführungsformen umfasse, was zu einem grundlegenden Mangel an Hinlänglichkeit führe. Beide Parteien waren sich einig, dass es eine Divergenz in der Rechtsprechung gab, wobei ein Gremium von Entscheidungen feststellte, dass offene Bereiche unter dem Gesichtspunkt der Hinlänglichkeit unbedenklich seien, und ein anderes Gremium feststellte, dass sie von Natur aus nicht reproduzierbar seien und indirekt begrenzt werden sollten.
Nach Prüfung der Rechtsprechung war der Vorstand nicht geneigt, einer Abweichung zwischen früheren Entscheidungen des Vorstands zuzustimmen. Der Vorstand kam zu dem Schluss, dass die Grundsätze und Rechtsfragen in allen Entscheidungen einheitlich angewendet wurden, wobei die unterschiedlichen Ergebnisse lediglich auf die Fakten des jeweiligen Einzelfalls zurückzuführen sind. Tatsächlich stellte er fest, dass in keiner der geprüften Entscheidungen angegeben wurde, dass offene Ansprüche von Natur aus anfechtbar oder unanfechtbar sind. (Eine Erleichterung für alle Patentanwälte und Anmelder im Bereich Chemie!)
Stattdessen betonte der Ausschuss, dass alle Entscheidungen den Grundsatz umsetzen, dass ein Anspruch auf die Offenbarung des Patents beschränkt werden muss, wobei die Last, einen offenen Bereich zu ermöglichen, davon abhängt, wie die Erfindung im Anspruch definiert ist. In diesem Zusammenhang stellte der Ausschuss zwei unterschiedliche Situationen fest:
- Das durch einen offenen Parameter definierte Element wird nicht durch strukturelle und/oder verfahrenstechnische Merkmale eingeschränkt, sodass das durch einen offenen Bereich zu erzielende Ergebnis durch einige scheinbar isolierte und/oder nicht verwandte Beispiele gestützt wird, ohne dem Fachmann die erforderliche Anleitung zu geben, wie Parameter angepasst oder ein Verfahren angepasst werden kann. Daher ist der offene Bereich nicht auf Werte beschränkt, die durch eine bestimmte Kombination von Merkmalen erreichbar sind. Der Fachmann wird daher mit einer unangemessenen Belastung konfrontiert, verschiedene Varianten der Erfindung bereitzustellen, und das Patent würde scheinbar von Natur aus gegen das Erfordernis der Hinlänglichkeit verstoßen, was wahrscheinlich nur durch eine Einschränkung zur Bereitstellung einer Obergrenze für den Bereich behoben werden könnte;
- Das durch einen offenen Bereich definierte Element wird im Anspruch durch strukturelle und/oder verfahrenstechnische Merkmale weiter eingeschränkt, sodass der Fachmann über ausreichende Informationen verfügt, um die strukturellen und/oder verfahrenstechnischen Merkmale anzupassen und zu modifizieren, um eine Reihe von funktionsfähigen Ausführungsformen innerhalb des Bereichs mit unangemessenem Aufwand bereitzustellen. In diesem Fall sollte der Anspruch als begrifflich durch die demonstrierte technische Lösung eingeschränkt und daher in seinem gesamten Umfang ausreichend reproduzierbar angesehen werden, solange der Anspruch die wesentlichen Struktur- und/oder Verfahrensmerkmale auflistet.
Der Vorstand stellte ferner fest, dass dieser Ansatz andere Parteien nicht auf unfaire Weise daran hindert, weitere Erfindungen zu schützen, die auf eine Erhöhung der fraglichen Parameter abzielen. In diesem Zusammenhang betonte der Vorstand, dass der oben genannte Ansatz verhindert, dass ein Patent als ausreichend angesehen wird, es sei denn, die Erreichung hoher parametrischer Werte ist innerhalb der durch die beanspruchten (wesentlichen) Struktur- und/oder Verfahrensmerkmale vorgegebenen Grenzen glaubwürdig. Somit verhindert der Umfang eines solchen erteilten Patents lediglich, dass weitere Erfinder Erfindungen schützen, die unbegrenzt hohe parametrische Werte mit trivialen oder bekannten technischen Lösungen erzielen. Im Gegensatz dazu wäre es einem Erfinder, der eine alternative Lösung zur Erzielung eines hohen parametrischen Wertes findet, nicht untersagt, Patentschutz durch ein früheres Patent zu beantragen, solange die verwendete technische Lösung unterschiedlich ist.
Entscheidung
In Bezug auf den vorliegenden Fall stellte die Kammer fest, dass der Einsprechende seiner Beweislast nicht nachgekommen war, dass das im Patent offenbarte Verfahren es dem Fachmann nicht ermöglichen würde, die Lehre zu modifizieren und funktionsfähige Ausführungsformen bereitzustellen, die in den beanspruchten offenen Bereich fallen. Das Argument, dass das Vorhandensein nicht funktionierender Ausführungsformen zu einer Unzulänglichkeit führt, erforderte eine zu wörtliche Auslegung und stand daher nicht im Einklang mit der überprüften Rechtsprechung.
Dennoch räumte die Kammer ein, dass eine weitere Analyse erforderlich sei, um auf die Auffassung des Einsprechenden und des OD einzugehen, dass offene Bereiche von Natur aus nicht funktionierende Ausführungsformen umfassen und daher nicht in ihrem gesamten Umfang ermöglicht werden können. Unter Bezugnahme auf ihre früheren Schlussfolgerungen stellte die Kammer fest, dass:
„Das entscheidende Kriterium für die Feststellung, ob der offene Bereich über den gesamten Umfang des Anspruchs aktiviert ist, ist die Verfügbarkeit von Lehren, die zeigen, dass der Fachmann durch die Anwendung bestimmter (wesentlicher) struktureller und/oder verfahrenstechnischer Merkmale in der Lage wäre, verschiedene Varianten der Erfindung über den Umfang des Anspruchs (d. h. verschiedene parametrische Werte innerhalb des offenen Bereichs) ohne übermäßigen Aufwand zu erreichen. Wenn dies der Fall ist und der Anspruch diese wesentlichen Struktur- und/oder Verfahrensmerkmale definiert, kann das Desiderat des offenen Bereichs grundsätzlich als über den gesamten Anspruchsbereich reproduzierbar angesehen werden.“
Daher schließt das Vorhandensein nicht funktionierender Ausführungsformen an und für sich nicht aus, dass ein offener Bereich ermöglicht wird und somit ausreichend ist.
In diesem Zusammenhang stellte die Kammer fest, dass das Patent zwei Beispiele enthielt, die zeigten, dass geringfügige Anpassungen der Komponenten und/oder Konzentrationen des Oxids zu einer ausreichenden Variation der spezifischen Oberfläche führten, sodass der Fachmann die notwendige Anleitung erhielt, um unterschiedliche Werte über den offenen Bereich zu erreichen. Da die Konzentrationen und Komponenten des Oxids beansprucht wurden (insbesondere unter Verwendung geschlossener Bereiche), umfasste der Anspruch die erforderlichen wesentlichen Merkmale und war daher ausreichend.
Interessanterweise verweist die Entscheidung des Boards auf die Tatsache, dass es bereit gewesen wäre, zu erörtern, ob bestimmte Verfahrensschritte als weitere wesentliche Merkmale in den Anspruch hätten aufgenommen werden sollen. Das Board stellte jedoch fest, dass der Einsprechende während der Einspruchsverhandlung die Position, dass Verfahrensschritte erforderlich seien, um die Zulänglichkeit zu gewährleisten, ausdrücklich ablehnte (und sich nur auf die mangelnde Durchführbarkeit aufgrund nicht funktionierender Ausführungsformen stützte). Der Ausschuss sah daher keine Rechtfertigung dafür, dieses Argument von Amts wegen einzuführen.
Abschließende Gedanken und praktische Hinweise
Da offene Bereiche das A und O vieler pharmazeutischer und chemischer Patentanmeldungen sind, ist es sicherlich eine gute Nachricht für Patentinhaber, dass solche Bereiche nicht von Natur aus unzureichend sind. Die ständige Bezugnahme des Boards auf die wesentlichen Merkmale in den Ansprüchen scheint jedoch die Grenze zwischen der Zulänglichkeit nach Artikel 83 EPÜ (was ein Einspruchsgrund ist) und der Klarheit nach Artikel 84 EPÜ (was kein Einspruchsgrund ist) zu verwischen. Ob dies weitergehende Auswirkungen auf Einwände wegen unzureichender Offenbarung gegen Erfindungen hat, die nicht durch offene Bereiche definiert sind, bleibt abzuwarten, aber es scheint, dass diese Entscheidung die Möglichkeit eröffnet, Einwände wegen unzureichender Offenbarung aufgrund des Fehlens wesentlicher Merkmale zu erheben.
Abschließend sei für Praktiker angemerkt, dass diese Entscheidung deutlich macht, dass es zumindest bei der Formulierung von Ansprüchen mit offenen Bereichen ratsam erscheint, besonders darauf zu achten, dass für alle potenziellen strukturellen und/oder verfahrenstechnischen Merkmale, die als wesentlich erachtet werden, um den offenen Bereich in seinem gesamten Umfang zu ermöglichen, eine angemessene Grundlage geschaffen wird.
Dieser Artikel wurde von Allie Tyson verfasst.