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Neuigkeiten

UPC zur Äquivalenzlehre

Februar 2025

Plant-e Knowledge BV & anor v Arkyne Technologies SL UPC_CFI_239/2023 (Brinkman, Granata, Walker & Koke) – 22. November 2024

Die Lokalkammer Den Haag hat das erste inhaltliche UPC-Urteil gefällt, in dem die Äquivalenzlehre angewendet wird. Die Lokalkammer Den Haag stellte fest, dass das europäische Patent Nr. 2137782 von Plant-e gültig war und durch Äquivalenz verletzt wurde. Wenn keine wörtliche Verletzung der Ansprüche vorlag, prüfte die Lokalkammer Den Haag eine Verletzung durch Äquivalenz.

Bei der Beurteilung, ob die Variante äquivalent ist, berücksichtigte die Lokalkammer Den Haag die folgenden Fragen. Erstens: Löst die Variante im Wesentlichen dasselbe Problem und erfüllt sie im Wesentlichen dieselbe Funktion wie die patentierte Erfindung (d. h. technische Äquivalenz)? Zweitens: Wäre eine Ausweitung des Schutzumfangs des Anspruchs auf das Äquivalent verhältnismäßig und für den Patentinhaber fair? Drittens: Würde der Fachmann dem Patent entnehmen, dass der Umfang der Erfindung breiter ist als der wörtlich beanspruchte? Viertens: Ist das angeblich verletzende Produkt gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch?

Hintergrund

Das Patent mit dem Titel „Vorrichtung und Verfahren zur Umwandlung von Lichtenergie in elektrisches Licht“ war in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Deutschland, Frankreich und Italien in Kraft. Die Erfindung bezog sich auf eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Umwandlung von Lichtenergie in elektrische Energie und/oder Wasserstoff unter Verwendung einer lebenden Pflanze zur Umwandlung von Lichtenergie in elektrische Energie und/oder Wasserstoff.

Das Patent beanspruchte eine pflanzenbasierte mikrobielle Brennstoffzelle („P-MFC“). Eine MFC umfasst im Allgemeinen einen Reaktor, und der Reaktor umfasst eine Anoden- und eine Kathodenkammer. Bei der P-MFC wurde eine lebende Pflanze in den „Reaktor“ eingebracht, die (Sonnen-)Licht durch Photosynthese in Nährstoffe (organisches Material) umwandelt. Bei der Photosynthese werden organische Verbindungen in den Boden freigesetzt, die anodophile Mikroorganismen in der Umgebung der Pflanze ernähren. Wenn die Mikroorganismen die Verbindungen metabolisieren, übertragen sie Elektronen in ihre Umgebung, die von der Anode gesammelt und genutzt werden. Die Elektronen wandern dann zur Kathode und erzeugen schließlich elektrischen Strom.

Plant-e war ein niederländisches Start-up-Unternehmen, das aus der Universität Wageningen ausgegliedert wurde. Es entwickelte drei Produkte: eine kleine Biobrennstoffzelle für Bildungszwecke, eine Biobrennstoffzelle zur Verwendung mit einem Sensor (insbesondere für den Einsatz in der Landwirtschaft) und eine Biobrennstoffzelle mit Beleuchtung, die in den Boden eingebaut werden kann und in Gärten und Parks eingesetzt werden kann.

Arkyne (ein spanisches Start-up-Unternehmen, das in der Entscheidung als Bioo bezeichnet wird) bot eine kleine Biobrennstoffzelle für Bildungszwecke (die „Bioo Ed“), eine kleine Biobrennstoffzelle zur Verwendung mit einem Sensor (die „Bioo Sensor“), eine große Biobrennstoffzelle mit Beleuchtung, die in Gärten und Parks in den Boden eingelassen werden kann (das „Bioo Panel“), und eine „Bioo Bench“, die drei Bioo Panels enthielt, zum Verkauf an und verkaufte sie.

Plant-e-Produkt (Abb. 1 des Patents) Bioo-Panel

UPC_CFI_239/2023 (Seiten 2 und 14)

Plant-e leitete ein Verletzungsverfahren ein und forderte verschiedene Rechtsmittel, darunter eine einstweilige Verfügung, eine Verletzungserklärung und die Vernichtung der verletzenden Bioo-Produkte. Bioo reichte eine Gegenklage auf Widerruf des Patents ein und argumentierte, dass es wegen zusätzlicher Sachverhalte ungültig sei und dass es an Neuheit, erfinderischer Tätigkeit und ausreichender Offenlegung fehle.

Urteil

Buchstäbliche Verletzung

Im Mittelpunkt des Verfahrens wegen Verletzung stand der unabhängige Verfahrensanspruch 11, der in die folgenden Ziffern unterteilt war:

11.1 Verfahren zur Umwandlung von Lichtenergie in elektrische Energie und/oder Wasserstoff

11.2 wobei ein Ausgangsmaterial in eine Vorrichtung eingebracht wird, die einen Reaktor umfasst

11.3 wobei der Reaktor eine Anodenkammer (2) und eine Kathodenkammer umfasst

11.4 und wobei die Anodenkammer a) einen anodophilen Mikroorganismus, der eine Elektronendonorverbindung oxidieren kann

11.5 und b) eine lebende Pflanze (7) oder einen Teil davon, die bzw. der Lichtenergie mittels Photosynthese in die Elektronendonorverbindung umwandeln kann

11.6, wobei der Mikroorganismus im Wurzelbereich (8) der Pflanze oder eines Teils davon lebt.

Wie aus der obigen Abbildung ersichtlich ist, unterschied sich das Bioo-Panel von der beanspruchten Erfindung, da es zwei Kammern (anstelle von einer) umfasste, wobei die obere Kammer die Pflanze und ihre Wurzeln und die untere Kammer die Anode und die Mikroorganismen enthielt.

Die Lokalkammer entschied, dass das Bioo-Panel buchstäblich alle Merkmale des Anspruchs erfüllte, mit Ausnahme der Anordnung der Pflanze und ihrer Wurzeln (zusammen mit den Mikroorganismen) im Anodenbereich. Die Anforderung 11.6 wurde im Bioo-Panel nicht vollständig erfüllt, da nicht festgestellt werden konnte, dass sich die Wurzeln der Pflanze im Anodenbereich befanden, in dem (hauptsächlich) anodophile Mikroorganismen leben, da das Bioo-Panel die Pflanze, die Wurzeln und die Mikroorganismen vom Anodenbereich trennte.

Vor diesem Hintergrund stellte die Haager Lokalkammer fest, dass keine wörtliche Verletzung von Anspruch 11 vorlag.

Verletzung durch Äquivalenz

Das EPGÜ sah zwar keine ausdrückliche Äquivalenzlehre vor, doch vertrat die Haager Lokalkammer die Auffassung, dass aus Art. 2 des Protokolls zu Art. 69 EPÜ hervorgeht, dass die Äquivalenz bei der Beurteilung des Schutzumfangs berücksichtigt werden muss.

Wie oben dargelegt, legte die Haager Lokalkammer einen vierstufigen Test fest, bei dem jede Frage bejaht werden muss, um eine Verletzung durch Äquivalenz festzustellen. In dieser Klage beantwortete die Haager Lokalkammer alle vier Fragen aus den folgenden Gründen mit Ja:

  1. Technische Äquivalenz: Das Bioo-Panel wurde entwickelt, um dasselbe Ergebnis wie Anspruch 11 zu erzielen – es schuf eine MFC, die unabhängig von extern bereitgestelltem Brennstoff ist, indem eine lebende Pflanze als konstanter Lieferant von organischem Material für den Reaktor in ein System eingeführt wurde, wodurch eine P-MFC entstand.
  2. Angemessener Schutz für den Patentinhaber: Das Patent beanspruchte eine neue Kategorie von MFCs durch die Einführung einer Pflanze in das Gerät/den Reaktor und die Gewinnung von Elektrizität aus organischem Material, das aus der Photosynthese dieser Pflanze und damit aus Lichtenergie stammt. Die Lokalkammer vertrat die Auffassung, dass es sich um eine neue Kategorie von MFC handelte und dass die Erfindung von Plant-e einen eigenen Namen (P-MFC) erhielt, sodass „ein relativ breiter Schutzumfang mit dem Beitrag zur Technik im Einklang steht“. Die Lokalkammer stellte fest, dass die Pflanze im Bioo-Panel dieselbe Funktion wie im Anspruch hatte und dasselbe Problem löste, und zwar auf ähnliche Weise wie die beanspruchte Erfindung. Die geringfügigen Unterschiede (d. h. das zusätzliche Fach und die Lage der Wurzeln/Mikroorganismen) hatten keinen Einfluss auf die Funktion der Pflanze und wurden daher als gleichwertig angesehen.
  3. Rechtssicherheit für Dritte: Interessanterweise befand Die Lokalkammer, dass diese Anforderung erfüllt ist, „wenn der Fachmann[1] versteht, dass der Patentanspruch Raum für Äquivalente lässt, weil die Lehre des Patents (eindeutig) breiter ist als der Wortlaut des Anspruchs“, und es keinen triftigen Grund gibt, den Schutzumfang einzuschränken.
  4. Bioo-Panel erfinderisch und neu („umgekehrte Gillette/Formstein-Verteidigung“): Die Parteien waren sich einig, dass das Bioo-Panel zum Prioritätsdatum gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch gewesen wäre.

Daher entschied die Haager Lokalkammer, dass das Bioo-Panel (durch Äquivalenz) Anspruch 11 des Patents verletzte.

Schlussfolgerung

Als erstes materiellrechtliches Urteil, das eine Äquivalenzlehre anwendet, ist dies ein wichtiger Schritt für das UPC. Die Haager Lokalkammer hat einen Vorschlag für einen Test zur Prüfung von Äquivalenten vorgelegt, der dem Ansatz des niederländischen Patentgerichts ähnelt. Da dies ein Bereich ist, in dem die nationalen Patentgerichte bei der Anwendung des EPÜ voneinander abweichen, werden die Parteien diese Entwicklung aufmerksam verfolgen. Es ist nicht gesagt, dass andere UPC-Abteilungen den gleichen Ansatz wie das Haager Lokalkammer wählen werden, oder ob das Berufungsgericht einem anderen Test zustimmen oder ihn übernehmen wird.

Arkyne/Bioo hatten vor Ablauf der Frist keine Berufung beim Berufungsgericht des UPC eingelegt. Daher bleibt ein LD-Test für die Äquivalenzlehre die einzige Orientierungshilfe, die wir haben, wie das UPC den Test anwenden wird.

[1] Das Haager LD entschied, dass das für die Zwecke des Patents zuständige Team über einen wissenschaftlichen Hintergrund auf Promotionsniveau in Biochemie, Elektrochemie und möglicherweise Mikrobiologie oder Umwelttechnik sowie über 3–4 Jahre praktische Erfahrung auf dem Gebiet der MFC verfügt.


Dieser Artikel wurde von HGF-Partnerin und Leiterin der Rechtsabteilung Rachel Fetches und IP-Spezialistin für Rechtsstreitigkeiten im Bereich des geistigen Eigentums Sian Hope verfasst.

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